Kultur

Wenige wissen es, es ist auf jeden Fall Tatsache und historisch nachgewiesen:

DIE BAYERISCHE KAMMEROPER VEITSHÖCHHEIM GING AUF DEN SPUREN DES HOFTHEATERS VON
FÜRSTBISCHOF ADAM FRIEDRICH VON SEINSHEIM AUS DEM JAHR 1770.


Es ist wohl wenig bekannt, dass die Würzburger Theatertradition nicht erst mit dem 1804 durch den Reichsgrafen Julius von Soden gegründeten Haus begonnen hat, sondern fast ein halbes Jahrhundert älter ist. Von 1770 an gab es in der Residenz ein freilich der Öffentlichkeit nicht zugängliches Hoftheater, welches – ungeachtet seiner kurzen Lebensdauer von knapp einem Jahrzehnt – einen europaweit ausgezeichneten Ruf genoss. Initiator dieser höfischen Opernbühne war der von 1755 bis 1779 regierende Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim, unter dem die Würzburger Hofmusik eine beträchtliche Blütezeit erreichte. Das Theaterchen und seine musikalischen Aufführungen hätte, darüber waren sich nicht nur die Zeitgenossen einig, sicher auch Mozart gefallen, hätte ihn schon früher der Weg in die Bischofsstadt geführt und nicht erst anno 1790 als alles vorbei war. Unter Seinsheim wäre der göttliche Salzburger gewiss nicht so gänzlich unbeachtet in seiner Kutsche durch die Stadt gerumpelt. Seinsheim, der kunstliebende geistliche Fürst, spielte zwar im Gegensatz zu vielen seiner erlauchten regierenden Kollegen selbst kein Instrument, doch muss er über eine passable Stimme verfügt haben. Jedenfalls sang er 1753 solistisch ein Hochamt im Dom und es sei, so vermerkte er selbst: „…zimblich wol vonstatten gangen…“ Was Wunder, dass Adam Friedrich in seinem zu seiner Zeit erst wenige Jahrzehnte alten Neumann-Prachtbau auch Opernaufführungen haben wollte. Doch waren hierfür ursprünglich keine Räumlichkeiten vorgesehen. Gelegentlich behalf man sich im weißen Saal. Schließlich ließ der Souverän im Residenz-Nordoval, zum Rennweg hinaus, 1770 ein Theater einbauen, wo eigentlich schon 1766 ein Fürstensaal geplant gewesen war. Denn „…dieser Stuck muss die Residenz besonders zihren…“ hatte Seinsheim stets gesagt und auch schon den Münchner Architekten Francois de Cuvillés (1695 – 1768) mit der Gestaltung des Fürstensaales beauftragt. Doch dann pochte die Liebe zum Theater in der frommen Brust eben doch stärker und es wurde ein Operntheater dort errichtet, während der Fürstensaal später in einer „Fürstengalerie“ seine Verwirklichung fand. Wie war das Würzburger Hoftheater nun beschaffen? Das ellipsoide Nordoval der Residenz war quer in Süd- Nordrichtung geteilt, zwischen Bühnen- und Orchesterraum (zwei Drittel) und den Plätzen für die Zuschauer (ein Drittel). Die Bühne lag nach Osten zu. Für die Besucher gab es in der Regel nur drei Stuhlreihen nebst etlichen Stehplätzen, denn den größten Raum nahm die freistehende Fürstenloge in Pavillon-Form ein – wer zahlt, schafft an.

An der Theater-Ausstattung war u.a. auch der berühmte Stuckateur Ludovico Bossi beteiligt.

Zur baulichen Ausstattung gehörten unter anderem „vier große Ventilatoren“ sowie 98 federgeschmückte Wand-leuchter, wie man diese heute noch im weißen Saal nachempfinden kann. Die Würzburger Hofoper erfreute sich, wie gesagt, in der kurzen Zeit ihres Bestehens eines ausgezeichneten Rufes. Manche Besucher stellten ihre Qualität, ohne schmeicheln zu wollen, über Aufführungen von Wien, Berlin oder Rom. So hielt der Fürst 1777 selbst ein Urteil französischer Gäste fest: Die Dekorationen seien sehr schön, insbesondere hätte die Beleuchtung die ihrige in Versailles noch übertroffen. Was wurde nun in dem 30 000-Gulden- Projekt alles gespielt? Hier erlebte vor allem LA FINTA GIARDINIERA von Pasquale Anfossi (1727 – 1797) ihre deutsche Erstaufführung im Jahre 1774. Der italienische Piccini-Schüler bediente sich in diesem Stück für sieben Singstimmen des gleichen Stoffes wie ein Jahr später Mozart in seiner GÄRTNERIN AUS LIEBE. Die Bayerische Kammeroper Veitshöchheim brachte 1990 in eigener zweisprachiger Fassung Anfossis Oper auf die Bühne. Die Inszenierung wurde vom Bayerischen Fernsehen verfilmt und einige Male ausgestrahlt. Daneben gab es im Würzburger Hoftheater auch Ballette (unter Tanzmeister Voltelino) und musikalische Akademien, wie man seinerzeit Konzertabende zu nennen pflegte. Und die Musiker der Hofkapelle müssen exzellent gewesen sein. Was nicht wundert, wenn man weiß, dass der Fürst zum Beispiel den Würzburger Komponisten Wilhelm Küffner den Älteren eigens zur Vervollständigung seiner Studien nach Venedig schickte. Unter den überwiegend Opera-buffa- Aufführungen (zur Opera seria reichten Raum und Kulissen nicht aus) befand sich denn auch Wilhelm Küffners la corona d’imeneo. Für sein Lieblingskind, die Oper, berief der musikliebende Bischof, der gerne allein in seiner Loge ungestört Musik hörte, schließlich noch den namhaften italienischen Gesangsmeister Domenico Steffani. Beim Besuch der Markgräfin Caroline von Bayreuth wurde dieser zu Ehren die Operetta die cousine gegeben.

Daneben ließ Seinsheim auch seine Heckentheater im Hofgarten Veitshöchheim sowie auf Schloß Seehof nahe Bamberg bespielen. Auch wenn er im Nachhinein manchmal feststellen musste: „Die Operette wird auf dem niedlichen Theater zu Würzburg noch besser herauskommen seyn“. Doch waren dem Hoftheater nur knapp neun Jahre Lebensdauer beschieden. (Übrigens wenige Jahre dauerte auch das bunte Treiben der Bayerischen Kammeroper Veitshöchheim in der Orangerie der Würzburger Residenz, wo jedes Jahr und Dank den fleißigen Händen der Mitarbeiter vom Bauhof Veitshöchheim ein Theaterchen gezaubert wurde, ganz im Sinne von Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim.) So wie damals, als Seinsheim, der Kunstfreund und Gründer zweier An der Theater-Ausstattung war u.a. auch der berühmte Stuckateur Ludovico Bossi beteiligt. Lehrerseminare, 1779 an einer Lungenentzündung gestorben war, schlief die Bühne rasch ein. Fürstbischof Franz Ludwig Erthal (1779 – 1795) besaß, sparsam, sittenstreng und arbeitswütig wie er war, keine „Antenne“ für derlei Vergnügungen. Der aus Lohr gebürtige Seinsheim-Nachfolger ließ 1790 die Bühne endgültig schließen, die Ausstattung herausreißen und verkaufte den Fundus zugunsten eines Waisenhauses. Eine genau zu seinem Charakter passende Handlungsweise. Im Nordoval wollte er ein Naturalienkabinett einrichten, das dann schließlich in einem Bau südlich der Residenz Platz fand. In einer Nachruf-Notiz im Journal für Franken hieß es 1791 resignierend: „… räumte Thalia ihren Tempel und da wo sonst das artige Hoftheater stand und in den zunächst anstoßenden Zimmern soll eine Bildergalerie eingerichtet werden…“ Die Bayerische Kammeroper Veitshöchheim überlebte länger den Verschleiß der Sitten und brachte es auf 30 Jahre. Sic transit gloria teatri… Immerhin, 250 Jahre nach Sinsheim, erfährt das Kunst und Kulturleben in Würzburg glückliche Zeiten. Das Mainfrankentheater wird renoviert und auch als Staatstheater erhoben. Würzburg erfreut sich außerdem daran, den einzigen privaten Klassiksender Mainfrankens zu beheimaten: RADIO OPERA (www. radio-opera.de)


Autor: Dr. Blagoy Apostolov

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