Menschen

“Seid mutig und bringt euch ein!”

Patrick Friedl, Stadtrat in Würzburg,
hat 2018 als erster Grüner außerhalb von München über ein Direktmandat den Sprung in den bayerischen Landtag geschafft. Das WUE|MAG sprach mit ihm über seine politischen Schwerpunkte zwischen Würzburg und München, seinen neuen Alltag als Abgeordneter und seine ganz persönlichen Ziele.

WUE|MAG: Wie sind Sie dazu gekommen, sich für ein grüneres Würzburg zu engagieren?
Patrick Friedl: Es hat mit meinem Leben zu tun: Ich komme aus Rothenburg ob der Tauber und bin dort am Talhang groß geworden. Ich habe sehr mit und in der Natur gelebt und mich hat immer bewegt, wie es der Umwelt – oder, wie Professor Lesch sagen würde – der Mitwelt geht. Später habe ich begonnen, mich zu engagieren und mir schließlich die Grünen ausgesucht. Das ist die Gruppierung, die dem, was mir im Leben wichtig ist, am nächsten steht.

Was machen Sie neben Ihrem politischen Engagement sonst noch? Also erstmal bin ich im sogenannten ‚vorpolitischen‘ Raum mit unterwegs, hier habe ich die Klima-Allianz in Würzburg mitgegründet. Wir haben über Jahre hinweg Demonstrationen zu den Klimaschutzkonferenzen organisiert und sind dann dazu übergegangen, selber Klimaschutzkongresse zu veranstalten. Zwei haben wir schon durchgeführt und die dritte ist in Vorbereitung. Dass ich mich engagiere, liegt natürlich nahe an meiner eigenen politischen Arbeit. Zudem bin ich beruflich im evangelischen Beratungszentrum aktiv, deswegen bewegen mich soziale Fragen. Im Jahr 2010 hat mich dann zunehmend die Frage von Integration beschäftigt und wie es den Menschen geht, die Asyl beantragt haben und in einer Gemeinschaftsunterkunft leben. Das hat mich so bewegt, dass ich eine eigene Projektgruppe zum Thema Asyl begründet habe. An der habe ich intensiv ein paar Jahre mitgearbeitet und schließlich das Engagement in einen Verein verlagert – der heißt Freundeskreis für Flüchtlinge.

Wenn Sie 10 Jahre in die Zukunft denken, was wünschen Sie sich für
Würzburg?

Ich wünsche mir erstmal ein grüneres Würzburg in ganz unpolitischem Sinne. Ich möchte, dass mehr Grün in der Stadt ist – und dazu haben wir ein paar Sachen auf den Weg gebracht: Förderprogramme haben dazu beigetragen, dass im Haushalt viel mehr Mittel zur Verfügung stehen, zum Beispiel fürs Pflanzen von Bäumen in der Stadt. Aber der Prozess ist so wichtig und noch so intensiv zu bearbeiten: da muss noch sehr viel passieren. Denn wer sich die Straßen und die Plätze in der Stadt anschaut, wird an vielen gar kein Grün finden – so darf es nicht bleiben! Wo das in Teilen gelungen ist, sind die Umbaumaßnahmen in Spiegelstraße und Eichhornstraße: da haben wir immerhin Bäume mit reinbringen können. In 10 Jahren soll auf jeden Fall die Straßenbahnlinie 6 zum Hubland fahren. Und wir sollten dann auch für alle Kinder unter sechs Jahren in der
Betreuungseinrichtungen haben – das ist natürlich auch ein wichtiges Ziel. Natürlich ist zu diesem Zeitpunkt der Kardinal-Faulhaber-Platz als Park fertiggestellt. Überhaupt ist es wichtig, Plätze anders zu beleben und zu begrünen. Wir erleben dann hoffentlich eine Innenstadt, in der wenig Auto gefahren wird und wir viel Parkraum haben, den wir freigeben können. Wir haben dann ein ganz anderes Lebensgefühl in der Stadt, in der wir auch viel zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem öffentlichen Nahverkehr (der dann mit einem viel besseren Takt als heute fährt) unterwegs sind.

Ist es denn möglich, hier in der Stadt die Radwege weiter auszubauen? Ist der Platz überhaupt da? Wir haben gemeinsam ein Radwegekonzept auf den Weg gebracht. Es ist uns gelungen, die Stadtratsmehrheit zu bewegen, dass sie mehr für das Radfahren tut und darüber heute weitgehend Konsens herrscht – darüber sind wir sehr froh. Es kommt nun eine Radwege-Achse nach der anderen. Das Konzept – das nicht ganz unumstritten ist – sieht vor, dass die Radwege als Schutzstreifen weitgehend direkt in den Straßenraum kommen. Dies sieht man beispielhaft schon auf einer Seite im Rennweg. Diese Variante halten wir für richtig, weil die Radfahrenden so auf der Straße einfach viel besser wahrgenommen werden und so die tatsächliche Verkehrssicherheit höher wird. Was die gefühlte Sicherheit betrifft, kann ich nachvollziehen, dass dies von manchen nicht so gesehen wird. Autos müssten 1,50 m Abstand zu Radfahrenden halten und dürften andernfalls nicht überholen – doch das ist innerstädtisch leider oft nicht der Fall. Das hängt aber nicht nur mit den Schutzstreifen zusammen, das liegt auch am generellen Verhalten der Autofahrer – da müssen wir auf eine Bewusstseinsveränderung hinwirken. Wenn eines Tages in allen Stadtteilen größere, im Straßenraum gut erkennbare Radwege bzw. Schutzstreifen vorhanden sind, dann glaube ich, rückt das Radfahren auch noch stärker ins Bewusstsein. Das topografische Problem von Würzburg mit den vielen Hügeln hat sich durch die vielen Pedelecs auch entschärft: man kann einfach elektrisch unterstützt problemlos jeden Berg in Würzburg erklimmen und muss kein
herausragender Radfahrer oder Radfahrerin sein.

Was ist Ihr Top Lieblingsplatz in der Region Würzburg?
Ich nenne da nun einfach frech mehrere: das eine ist mein eigenes Zuhause. Da bin ich gern. Dann bin ich auch oft mit meiner Tochter und meiner Frau im Wildpark Sommerhausen: der ist einfach toll! Und sehr schön ist auch der Stollberg im Handthal im Steigerwald, um mal drei zu nennen. Aber natürlich hat allein Würzburg schon eine große Zahl an wunderschönen Plätzen.

Haben Sie einen Leitsatz, nach dem Sie leben?
Mir ist es wichtig, dass wir Menschen uns das Leben möglichst leicht machen und ich wünsche mir, dass dies ein Leitsatz ist, der auch andere bewegt. Ich weiß, dass es sehr viele Menschen gibt, die auch danach leben: sonst würden sie sich nicht so engagieren – nicht ehrenamtlich, nicht in Vereinen, nicht karitativ. Es gibt so viel Engagement in dieser Stadt, so tolle Bürgerinnen und Bürger. Und ja, den Leitsatz gebe ich gerne immer weiter: Machen wir es uns leicht, es ist schwer genug!

“Ich freue mich über alle, die Interesse an mir haben, mir etwas mitteilen wollen, sich an Demokratie beteiligen wollen, Lust darauf haben sich einzubringen und mit ihren Anliegen und Interessen zu mir kommen”

Patrick Friedl

Hand auf´s Herz: Wie stehen Sie zum Würzburger Brückenschoppen auf der alten Mainbrücke? Erfreulicher Kult oder störendes Getümmel für Radfahrer und Passanten?
Ein Kult ist der Brückenschoppen für mich nicht, sondern Lebensqualität, die für viele Menschen wichtig ist und das kann ich nehmen und schätzen. Ich meine nur, es kann wie überall mit gegenseitiger
Rücksichtnahme besser gehen: man kann sowohl diese Lebensqualität
dort genießen und trotzdem Raum für die lassen, die passieren müssen. Die Mainbrücke ist schließlich ein wichtiger Verkehrsweg zwischen Innenstadt und Zellerau / Mainviertel für Radlerinnen und Radler. Ich meine, dass es gehen kann – es bedarf halt ein bisschen Achtsamkeit aufeinander.

Was hat sich seit Ihrer Wahl im täglichen Leben verändert?
Mein Alltag hat sich deutlich verändert, weil ich in einem anderen Rhythmus lebe: Ich bin jetzt Mitglied eines Landesparlaments und dieses tagt von Dienstag bis Donnerstag. Also bin ich von Dienstag bis Donnerstag einfach in München – mit möglichen Unterbrechungen, wenn ich mit dem Zug noch mal nach Würzburg zurückkehre für eine Abendveranstaltung oder um kurz zu Hause zu sein. Das verändert den Alltag, weil ich bislang in dieser Zeit täglich auch für unsere Tochter da war. Meine Frau und ich hatten uns das sehr gut aufgeteilt und jetzt verteilt sich das anders. Und dann kommen natürlich neue Anforderungen hinzu, so wächst zum Beispiel die Zahl an Abendterminen und Anfragen ständig. Da muss man dann auch schauen, dass noch genügend freie Zeit bleibt.

Wenn Sie durch die Stadt laufen, werden Sie dann wiedererkannt und auch angesprochen?
Das hat tatsächlich nochmal einen Schub getan. Viele kannten mich über die Jahre politischer Arbeit hinweg schon sehr gut. Ich wurde auch sonst schon mal erkannt, wenn ich in der Stadt unterwegs war. Aber jetzt habe ich schon den Eindruck, dass mich die meisten erkennen; das ist schon nochmal eine andere Qualität. Bei den Neujahrsempfängen ist mir aufgefallen, wie viele Menschen auch aktiv auf mich zukommen, mich ansprechen und Fragen haben; das hat sich tatsächlich deutlich verändert.

Empfinden Sie dies als angenehm?
Ja. Ich sage sogar: es ist schön. Denn wer politische Arbeit macht, der hat ja einen Grund. Und ich habe den Grund, dass ich für die Menschen etwas tun und erreichen will, damit es uns insgesamt besser geht. Ich glaube, das eint auch fast alle, die politische Arbeit machen. Wir haben eben nur unterschiedliche Ideen und Wege. Ich freue mich über alle, die Interesse an mir haben, mir etwas mitteilen wollen, sich an Demokratie beteiligen wollen, Lust darauf haben sich einzubringen und mit ihren Anliegen und Interessen zu mir kommen – dafür sind politisch arbeitende Menschen da.

Wie gestalten Sie Ihren privaten Ausgleich?
Ja, da ist durch die Umstellungsphase schon noch was für mich zu leisten. Ich habe mir vorgenommen, den Sonntag weitgehend von Terminen freizuhalten. Dies gelingt zum Jahresanfang nicht so gut, weil viele Empfänge – die ich auch besuchen will – eben auch sonntags stattfinden.
Aber tatsächlich will ich versuchen, den Sonntag für die Familie zu haben und ansonsten auch feste Zeiten für das Familienleben zu etablieren. Und dann will ich schon schauen, dass ich noch einen anderen, etwas gesundheitspflegenden Ausgleich habe – was in unstrukturierten Wochen nicht ganz einfach ist.

Gibt es ein Hobby?
Ich habe eine ganze Anzahl von Hobbys, denen ich aber schon länger nicht mehr wirklich nachgehen kann. Ich habe immer sehr gerne Brennball gespielt – das kommt viel zu kurz und ist meistens nur noch ein Turnier im Jahr. Dann haben wir eine Doppelkopfrunde, mit der treffen wir uns unregelmäßig. Und es gibt eine Schafkopfrunde, aber an der kann ich leider nur selten teilnehmen. Was mir sehr wichtig ist, ist einfach der Kontakt mit Freunden und Freundinnen, die uns über die Jahre begleiten und mit denen wir uns immer wieder treffen und austauschen. Dann kann ich noch das Rudern anfügen. Ich habe ein paar Jahre im Akademischen Ruderclub gerudert – das will ich auch, wenn unsere Tochter etwas größer ist, wieder aufnehmen. Auf dem Main unterwegs zu sein ist wirklich schön.

Wenn Sie nur einen Tag in Würzburg verbringen würden – wie würde dieser aussehen?
Mit viel Genuss, Zeit und Ruhe – um die Stadt wahrzunehmen. Ich bin jemand, der gerne das Leben wahrnimmt. Das heißt, sich ins Café zu setzen und dem Treiben und der Bewegung in der Stadt zuzuschauen. Und vielleicht einen Ausflug in die Weinberge oder zur Marienfestung unternehmen – je nach Laune. Ansonsten auch noch Ausblickspunkte finden: es ist natürlich toll, von der Frankenwarte aus hinüber zum Schützenhof und von dort aus auf die Stadt zu blicken.

Welche Projekte für ein grüneres Würzburg konnten bereits umgesetzt werden?
Bei meinem Einstieg in die Stadtratsarbeit vor zehn Jahren war es mein Projekt, den Klimaschutz als Thema in die Stadtverwaltung hineinzubringen. Dies ist innerhalb weniger Jahre sehr gut gelungen: wir haben jetzt einen Klimafachbereich, einen Klimaschutzbeauftragten, einen Klimaschutzmanager und Sanierungsmanager: allesamt positive Effekte eines Grundsatzbeschlusses zur CO2- Reduktion in der Stadt. Ein weiteres aktuelles Projekt ist die Implementierung von Klimaaspekten in der Bauleitplanung. Das betrifft Fragen wie: Was bedeutet es für das Mikroklima, wie ich ein Gebäude stelle? Darf ich überhaupt ein Gebäude an einen bestimmten Ort stellen, ohne Frischluft- und Kaltluftbezüge in der Stadt zu gefährden? All diese Aspekte sollen künftig berücksichtigt werden.

Welche künftigen Projekte liegen Ihnen besonders am Herzen?
Die Linie 6 habe ich ja schon genannt. Die liegt mir sehr am Herzen und sie ist auf einem guten Weg: Die Planfeststellung soll dieses Jahr erfolgen und ich hoffe, dass wir da sehr schnell in die Ausschreibung und Umsetzung kommen. Ebenso ein wichtiges und auch bereits erfolgreiches Projekt ist es, dass am Hubland so viel begrünte Fläche bestehen bleibt. Die Grünvernetzung in der Stadt wird dadurch gestärkt. Und die Renaturierung von Flüssen ist uns ebenfalls sehr wichtig. In der Pleichach ist die Renaturierung bereits ein Stück vorangekommen, allerdings noch nicht abgeschlossen. So wollen wir Stück für Stück die innerstädtischen Bäche und Erholungsräume angehen.

Was möchten Sie den Würzburgern sonst noch mitteilen?
Seid mutig und bringt euch ein! Ich freue mich über das große Engagement in der Stadt und wünsche mir, dass sich immer wieder Menschen finden, die sich einbringen und Lust auf ehrenamtliches Engagement haben.
Und ganz wichtig in der heutigen Zeit: Schauen Sie genau hin und haben Sie den Mut, die Dinge auszusprechen. Und ich wünsche mir, wie gesagt, dass wir es uns leichter machen und locker miteinander umgehen.

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